• Gesellschaftsrecht ·
  • Immobilienrecht ·

eGbR – was gilt ab dem 01.01.2024

Schenken ohne Pflichtteilsergänzung

Das Pflichtteilsrecht des BGB sichert nahen Angehörigen einen Anspruch an dem Nachlass des Erblassers auch dann, wenn der Erblasser sie durch Testament oder Erbvertrag enterbt hat. Ausnahmen hiervon bestehen nur, soweit ein wirksamer Pflichtteilsverzicht durch den Angehörigen erklärt, die Erbschaft ausgeschlagen oder der Pflichtteil wirksam entzogen wurde. Häufig werden diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Erblasser wird deshalb bemüht sein, schon zu Lebzeiten sein Vermögen zu verschenken, um so den Wert des Nachlasses, an dem der Pflichtteilsanspruch des Angehören besteht, weitgehend zu minimieren. Hier greift die Problematik der Pflichtteilsergänzung: Eine lebzeitige Schenkung muss „frei“, d.h. so erfolgen, dass der Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des Erblasser „wirtschaftlich ausgegliedert“ wird. Wann dies der Fall ist, hat der Gesetzgeber nur bezüglich der Ehegatten klar geregelt. Der BGH hat bisher – leider – keine verlässlichen Abgrenzungskriterien vorgegeben.

 

1. Anspruchsberechtigte

Anspruchsberechtigt sind zunächst alle Abkömmlinge, gleich ob ehelich oder adoptiert. Wird der Pflichtteil wirksam einem Abkömmling entzogen, steht der Pflichtteil dessen Abkömmlingen zu (also den Enkeln). Der Pflichtteilsentzug hilft also nur bedingt.

Sind keine Abkömmlinge vorhanden, sind die Eltern pflichtteilsberechtigt.

 

2. Die 10-Jahresfrist – Abschmelzung nur bei „freier“ Schenkung

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Angehörigen schmilzt über einen Zeitraum von 10 Jahren mit Ablauf eines jeden Jahres (Tag genau, nicht zum Jahresende) um 10 % ab. Mit Ablauf von 10 Jahren ist die „freie“ Schenkung mithin pflichtteilsergänzungsfest.

Für das Anlaufen dieser 10-Jahresfrist ist Voraussetzung, dass der Erblasser den Genuss an dem Überlassungsgegenstand aufgibt (sog. „Genusstheorie“ des BGH). Dies setzt eine „wirtschaftliche Ausgliederung“ des Überlassungsgegenstandes aus dem Vermögen des Schenkers voraus. Dies ist problematisch, wenn sich der Schenker an dem Überlassungsgegenstand Rechte vorbehält.

 

3. Die Schenkung einer Immobilie

Gerade bei Immobilienschenkungen kommt es häufig vor, dass der Schenker die Immobilie weiterhin (mit seinem Ehegatten) bewohnen und er sich dieses Recht auch grundbuchlich sichern möchte. Er bleibt also ganz oder teilweise in dem Genuss der Immobilie. Folgende Fallgestaltungen kommen in der Praxis häufig vor:
.

3.1 gegen Nießbrauch

Die Schenkung gegen Nießbrauch wird grundsätzlich nicht als freie Schenkung angesehen. Dies gilt eindeutig für den sog. Totalnießbrauch, bei dem sich der Schenker den Nießbrauch an der gesamten Immobilie vorbehält. Bei einem Quotennießbrauch – also einem Teilnutzungsrecht – ist dies bislang durch die Rechtsprechung nicht entschieden. Im Zweifel sollte davon ausgegangen werden, dass bei einem Nießbrauch die 10-Jahresfrist nicht anläuft.
.

3.2 gegen dingliches (Mit-)Wohnungsrecht

Wird das dingliche Wohnungsrecht – unter Ausschluss des Eigentümers gem. § 1093 BGB – an der gesamten Immobilie vorbehalten, liegt ebenfalls keine Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkenden vor.

Anderes soll gelten, wenn der Schenker die Immobilie „im Wesentlichen nicht mehr weiter nutzt“ und das Wohnungsrecht nicht übertragbar ist (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15). Vorliegend hatte sich der Schenker an einem Dreifamilienhaus ein Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB – also unter Ausschluss des Eigentümers – nur an einer Einheit vorbehalten einschließlich eines Mitbenutzungsrechts am Garten und den Versorgungseinrichtungen. Die Weggabe von 2/3 der Nutzungsmöglichkeit wertete der BGH dahingehend, dass der Schenker nicht mehr als „Herr im Haus“ anzusehen sei. Die 10-Jahresfrist lief deshalb an.

Ob dies z.B. auch bei der Schenkung eines Zweifamilienhaus gegen Wohnungsrecht an einer der beiden gleich großen Wohnung (50 % dinglich besichertes Wohnungsrecht) gilt, ist offen. Der BGH hat keine konkreten Vorgaben dazu gemacht, was er unter „wesentlich“ ansieht. Jedenfalls aber dürfte nicht mehr „Herr im Haus“ sein, wer weniger als 50 % der Gesamtwohnfläche nutzen darf. In jedem Fall sollte das Wohnungsrecht als nicht übertragbar ausgestaltet sein und zudem kein zusätzliches ausschließliches Nutzungsrecht an z.B. Gartenflächen u.ä. begründet werden.

Ein bloßes Mitbenutzungsrecht gem. §§ 1090 bis 1092 BGB an bestimmten oder allen Räumen (also nicht unter Ausschluss des Eigentümers) wird hingegen in der Literatur als Ausgliederung des Vermögens angesehen und soll die 10-Jahresfrist mithin anlaufen lassen.
.

3.3 gegen Rückforderungsanspruch

Die Rückforderungsrechte sollen vor allem den Schenker davor schützen, dass die Immobilie zu seinen Lebzeiten an einen Dritten verkauft (oder belastet) wird. Der Schenker möchte sich als Nutzer der Immobilie nicht mit einem anderen Eigentümer über die Nutzung streiten müssen. Das gilt auch für den Fall, dass im Rahmen einer Insolvenz oder aufgrund von Pfändungen ein Eigentumswechsel droht.

Gerade aber das dinglich besicherte Rückforderungsrecht im Falle des Verkaufs oder der Belastung der Immobilie wird in der Literatur und der Rechtsprechung als schädlich für die wirtschaftliche Ausgliederung angesehen. Das gilt gleichermaßen für Rückforderungsrechte, die willkürlich herbeigeführt werden können. Der BGH (Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15) hat einen Rückübertragungsanspruch für den Fall der Veräußerung allerdings dann als unschädlich angesehen, wenn dieser nicht durch Vormerkung dinglich besichert wird.

Der Ausgliederung nicht entgegenstehen werden danach insbesondere Rückforderungsrechten, die in der Person des Beschenkten begründet sind (Pfändungen in den Grundbesitz, Betreuungsanordnung, Drogensucht, Scheidung u.ä.).

Im Zweifel sollte auf die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung oder auf ein Rückübertragungsrecht ganz verzichtet werden, wenn das Anlaufen der 10-Jahresfrist sicheren Vorrang vor der Absicherung des Schenkers haben soll. Auf keinen Fall darf ein Rückübertragungsrecht frei herbeigeführt werden.
.

3.4 gegen dauernde Last oder Leibrente

Nicht geklärt ist die Schenkung gegen Leibrente oder gegen Zahlung der Erträge aus der Immobilie an den Schenker. Auch wenn der Schenker nicht mehr „Herr im Haus“ ist, so behält er doch den vollständigen wirtschaftlichen „Genuss“.
.

3.5 und Abschluss eines Mietvertrages

Der Abschluss eines Mietvertrages wird in der Literatur – soweit ersichtlich – als nicht schädlich angesehen. Denn der Schenker behält das vertragliche (nicht dingliche) Nutzungsrecht nur gegen Zahlung. Der Mietvertrag ist zwar ein schuldrechtlicher Vertrag, aber er ist auch ein Vertrag auf Gegenseitigkeit (Miete gegen Wohnrecht). Rechtssicher geklärt ist aber auch dies nicht.

Pflichtteilsergänzungsrechtlich wäre aber – so oder so – schädlich, wenn die Mietzahlungen später aufgeben würden; der Verzicht auf die Mietzinsansprüche stellt ebenfalls eine Schenkung dar und lässt eine neue 10-Jahresfrist zu laufen beginnen.
.

3.6 bei rein tatsächlicher Weiternutzung

Problematisch ist auch die rein tatsächliche Weiternutzung der Immobilie ohne ausdrückliche vertragliche Regelung. Es wird vertreten, dass allein die tatsächliche Nutzung einer wirtschaftlichen Ausgliederung entgegenstehe. Das dürfte vor allem dann gelten, wenn der Schenker – nach dem Willen der Beteiligten – weiterhin auf die Nutzung der Immobilie zu Wohnzwecken angewiesen ist.

Problematisch wird die Situation zudem, wenn die rein tatsächliche Weiternutzung zwischen den Parteien des Schenkungsvertrages vorgesehen, so aber nicht auch in dem notariellen Schenkungsvertrag mir vereinbart wird. Denn mit der Schenkung sind alle wesentlichen Vereinbarungen mit zu beurkunden. Das Weglassen der stillschweigenden Vereinbarung über die fortgesetzte rein tatsächliche Weiternutzung kann deshalb zur gesamten Unwirksamkeit der Urkunde führen. Zudem könnte der Vertrag auch als Scheingeschäft angesehen werden, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der Urkunde führen würde.

 

4. Sonstige Schenkungen

Sonstige Schenkungen können ebenfalls Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Häufig werden die Parteien eine solche Schenkung gar nicht erkannt haben:
.

4.1 Begleichung von Darlehensraten (Zins-Tilgungsleitungen)

Ist beispielsweise die (Ehe-)Frau Alleineigentümer der gemeinsam genutzten Immobilie (Schenkung durch die Eltern) und führt aufgrund der gemeinsamen Lebensplanung der (Ehe-)Mann das für die Renovierung der Immobilie aufgenommene Darlehen aus seinen Einkünften alleine zurück, stellt regelmäßig der Tilgungsanteil jeder Annuität eine Schenkung an die (Ehe-)Frau dar.

Die Zinszahlung können (müssen aber nicht) als unterhaltsrechtlich geschuldet gelten. Bei aktuell derart niedrigen Zinsen wird dies aber wirtschaftlich kaum ins Gewicht fallen.
.

4.2 Lebensversicherungen

Bei Lebensversicherungen ist zu differenzieren:

Hat der Begünstige nur ein widerrufliches Bezugsrecht, setzt der BGH für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs den Rückkaufswert der Lebensversicherung zum Zeitpunkt des Erbfalls an. Eine Abschmelzung findet nicht statt.

Hat der Begünstige hingegen ein unwiderrufliches Bezugsrecht bestimmt, wird mit dieser Anordnung die Lebensversicherung vollständig aus seinem Vermögen ausgegliedert. Mit der Ausgliederung beginnt die 10-Jahresfrist zu laufen, aber nur für die Dotierungen in die Versicherung, die er zu diesem Zeitpunkt bereits erbracht hat.

 

5. Schenkungen unter Ehegatten

Schenkungen unter Ehegatten unterliegen der Pflichtteilsergänzung. Der Gesetzgeber unterstellt, dass eine Schenkung unter Ehegatten dazu führt, dass der schenkende Ehegatte den Überlassungsgegenstand gleichwohl weiter nutzt, also nicht aus seinem Vermögen tatsächlich ausgliedert. Deshalb beginnt auch bei Schenkungen unter Ehegatten die 10-Jahresfrist erst mit Auflösung der Ehe zu laufen.

Hiervon werden drei Ausnahmen diskutiert: Wird Vermögen zur angemessenen Alterssicherung des anderen Ehegatten, der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste oder zur Bedienung von geschuldeten Unterhaltspflichten überlassen, stellt dies keine „freie“ Schenkung dar. Hier ist aber immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.

 

6. Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist immer auf Geld gerichtet. Er begründet keine Erbenstellung, sondern einen Zahlungsanspruch gegen den/die Erben. Er ist durch Zahlung zu erfüllen. Zur Ermittlung des Wertes hat der Angehörige einen Auskunftsanspruch gegen den/die Erben. Mehrere Erben haften dem Angehörigen als Gesamtschuldner. Ein Erbe kann zudem auch Pflichtteilsberechtigter und zudem auch Schuldner eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs sein.

 

7. Verjährung

Der Anspruch verjährt (Tag genau) drei Jahre nach dem Erbfall, und zwar unabhängig davon, wann der Angehörige von dem Pflichtteilsergänzungsanspruch Kenntnis erlangt hat.